Kiezspaziergang am 12.6.

Carré Sama Riga im Friedrichshainer Nordkiez stoppen – Bericht über Kiezspaziergang gegen Verdrängung

 

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Ca. 90 Anwohner_innen haben sich am 12. Juni erneut an der Rigaer Straße 71-73 zu einem von der Bezirksgruppe Friedrichshain der Berliner Mietergemeinschaft vorbereiteten Kiezspaziergang gegen Verdrängung durch den  Friedrichshainer Nordkiez getroffen. Der Ort  wurde in den letzten Wochen zum Kristallisierungspunkt eines Protestes gegen die Gentrifizierung des Kiezes. Es hört auf den Namen Carré Sama Riga und soll ein Nobelprojekt der CG-Group werden. Es würde dazu führen, dass aus der proletarische  Kiez noch mehr in Richtung Prenzlauer Berg kippen würde. Schon am 11.Juni zeigten  ca. 80 Anwohner_innen, was sie von der Carré Sama Riga halten. Als der Investor dann die Protestierenden und als dumm und vernagelt beschimpfte und  erklärte, er werde auf jeden Fall bauen, auch wenn er die Baustelle mit einen Sicherheitsdienst sichern lassen muss, hatte er endgültig die Mieter_innen gegen sich aufgebracht. Viele von ihnen kamen dann auch zum Kiezspaziergang.

 

Es wird über Vertreibung und Verdrängung geredet

„In dem Stadtteil  hat die Verdrängung von einkommensschwachen Menschen nicht erst mit  dem Carré Sama Riga begonnen. Doch das Bauvorhaben  hat bewirkt, dass Mieter_innen sich dagegen zu wehren beginnen“, erklärt einer der Mitorganisatoren des  knapp zweistündigen Spaziergangs. An der  Route berichteten Betroffene über unterschiedliche Formen von Vertreibungen.  Doch auch einige Gegenbeispiele kamen zur Sprache. Bewohner_innen ehemals besetzter Häuser in der Rigaer und Liebigstraße berichteten, wie   eine gemeinsame Organisierung eine Verdrängung verhindert kann. Dass auch Erfolge immer wieder bedroht sind, machte eine Bewohnerin der Liebigstraße  34 berichtete, dass ihre Verträge demnächst auslaufen und der Eigentümer Padovicz sicher nur durch viel öffentlichen Druck bewegt werden kann, Verträge abzuschließen, die im Interesse der Bewohner_innen sind. Diese Erfahrungen haben aber auch Bewohner_innen eines Mietshauses in der Schreinerstraße gemacht. Sofort nachdem der Verkauf an einen Investor bekannt geworden war, haben sie regelmäßige Hausversammlungen organisiert, sind in die Berliner Mietergemeinschaft organisiert und über ihre Rechte informiert. So konnten sie verhindern, dass Mieter_innen nach der Sanierung ausziehen mussten. Von solchen Erfahrungen können Mieter_innen in anderen Häusern profitieren, die aktuell mit Entmietungsstrategien konfrontiert sind. Dazu gehören die Bewohner_innen der Schreiner Straße 57, zu der es einen kurzen Beitrag gab. Gegen Ende des Spaziergangs schilderte eine ehemalige Bewohner_innen der Voigtstraße 39, wie im letzten Jahr Menschen Jahr Menschen rabiat aus ihren Wohnungen vertrieben wurden, die sie über mehrere Jahre still besetzt und eingerichtet hatten. Eines Morgens kam ein privater Sicherheitsdienst und erklärte ihnen, sie hätten die Wohnungen innerhalb von 2 Stunden zu verlassen.  Persönliche Gegenstände der Bewohner_innen wurden aus dem Fenster geworfen und vernichtet. Einige der Vertriebenen leben noch heute auf der Straße. „Wir hatten damals keine Kontakte und wussten nicht, wo wir Unterstützung bekommen können“, beschreibt die ehemalige Bewohnerin die Hilflosigkeit der Menschen, als das private Vertreibungsteam vor ihren Betten stand.  Solche Spaziergang sollen auch dazu dienen, dass sich die Nachbarschaft besser kennenlernt und dass es dann möglich ist, gegen

solche Vertreibungen Widerstand zu leisten“, erklärte ein Anwohner auf dem Spaziergang.

Die Hilflosigkeit überwinden

 

Doch die Hilflosigkeit betraf nicht nur die Bewohner_innen in der Voigtstraße.   Sie ist ein Wesenselement des Kapitalismus. Wir werden vereinzelt, individualisiert. Uns wird eingeredet, dass es keine Gesellschaft und keine Klasse mehr gibt, damit wir ganz individualisiert vom Kapitalismus verwertet werden können. Das machte ein Redner auf dem Kiezspaziergang am Beispiel der vielen prekären Arbeitsverhältnisse im Friedrichshainer Nordkiez deutlich. Die zunehmende Schwemme von Spätverkäufen, Imbisse und Gastronomiebetrieben sind bekannte Pionierprojekte der Überausbeutung  mit Minilöhnen und 16 Stunden-Schichten-. 2012 hat ein ehemaliger Beschäftigter in einem Spätkauf im Friedrichshainer Nordkiez den Fokus auf diese Ausbeutung gerichtet, als er in einem Arbeitskampf für seinen ihm vorenthaltenen Lohn getreten ist. Eine Ausnahme waren nicht seine  Arbeitsbedingungen sondern die Kampfbereitschaft. Eine emanzipatorische Stadtteilpolitik sollte nicht nur gegen hohe Mieten sondern auch gegen niedrige Löhne und Ausbeutung am Arbeitsplatz kämpfen. Die Parole „Runter  mit den Mieten – rauf mit den Löhnen und Einkommen“ ist hier ganz aktuell. Hier gilt der Satz, den die Genoss_innen geschrieben haben, die über den Widerstand am Informationstag des Carré Sama Riga

berichteten.(https://linksunten.indymedia.org/de/node/181711)

„Dass nur Hundert und keine vielen Tausend gekommen sind, liegt an der Hoffnungslosigkeit, die dieser Staat für uns geschaffen hat und die wir durchbrechen wollen.“

 

Das ist völlig richtig. Umgekehrt gilt daher, wenn es uns gelingt, ein kapitalistisches Projekt wie das Carré Sama Riga zu verhindern, haben wir deutlich gemacht, dass wir uns wehren können und auch Erfolge haben. Dann können wir auch noch mehr kapitalistische Projekt be- und verhindern. Dann lernen wir auch die Probleme unserer Nachbar_innen kennen, und die Unterschiede im Musikgeschmack und ob mensch lieber vegan isst oder nicht, spielt dann keine Rolle. Wichtig ist dann viel mehr, dass wir hier wohnen und hier wohnen bleiben wollen und dazu müssen wir uns wehren. Die Nachbar_innen aus den vor zwei Jahrzehnten besetzten Häusern sind Mieter_innen wie wir. Aber sie haben im Laufe der Jahre viele Erfahrungen  im  Widerstand gesammelt, von denen wir profitieren   kennen. Umgekehrt lernen sie uns  in der konkreten Auseinandersetzung als Mieter_innen kennen, die nicht alle in das Henkel’sche Geschrei über das Gefahrengebiet Rigaer Straße einstimmen. Und sie lernen Menschen können für die das  zur Miete wohnen durchaus ein Kulturgut ist, dass im Kapitalismus verteidigt werden muss.  Jetzt geht es darum, den Unmut über das Carré Sama Riga zum Widerstand werden zu lassen, der überall im Kiez zu sehen ist. Wie im letzten Jahr im Wrangelkiez die Bizzim-Kiez Banner überall zu sehen waren, so könnte es  jetzt überall  im Friedrichshainer Nordkiez und nicht nur dort heißen. „Carré Sama Riga verhindern“ oder „Stopp der  Luxus-Neubauten“.

 

Am kommenden Sonntag, den 19. Juni werden um 15 Uhr auf einer Kiezversammlung am Forckenbeckplatz werden diese Fragen weiter diskutiert.

Quelle: linksunten.indymedia.org